Blind seit der Kindheit - Nun kann sie wieder sehen

Außer Umrissen sah Rosalia (Name geändert) fast nichts. Seit ihrer Kindheit litt die heute 27- Jährige an einer Linsentrübung, die sich bereits im Mutterleib gebildet hatte.


Im Alter von 6 Jahren wurde sie deshalb zum ersten Mal am grauen Star in einem regionalen Krankenhaus in Cusco, in einer sogenannten Kampagne, in Vollnarkose operiert. Bei solchen Kampagnen kommen für eine Woche auswärtige Augenärzte und operieren Patienten unentgeltlich in großer Zahl. Manchmal sind es Ärztegruppen aus Kuba, manchmal aus Lima, die unter oft einfachen Bedingungen arbeiten. Aufgrund der Sicherheit und der bestmöglichen Wiederherstellung der Sehkraft wurde schon zu dieser Zeit die Operationsmethode mit einem kleinen Schnitt, einer Linsenverflüssigung und einer Vitrektomie bevorzugt.

 

Doch es kam anders. Alle Details der Operation sind nicht bekannt, aber das Ergebnis lässt Rückschlüsse auf das damals gewählte Vorgehen zu. Bei unserer Patientin wurde eine andere Operationstechnik mit einem größeren Schnitt verwendet. Die dabei unvollständig entfernten Linsenreste verklebten mit der Pupille und der eingepflanzten Kunstlinse und verwuchsen danach bindegewebig zu einer lichtundurchlässigen Platte. Wochenlang wurde sie behandelt, hatte Schmerzen und Angst. Am Ende hatte sie die ursprüngliche Sehkraft ganz verloren. Für das 6-jährige Mädchen damals eine schreckliche Erfahrung, die zu Angst und Mißtrauen gegenüber ärztlichen Maßnahmen im Allgemeinen geführt hatte.
Sie hatte diese Zeit ihr Leben lang nicht vergessen. Immer noch fast blind, hatte sie daher eine zweite Operation nie in Angriff genommen. Mit dieser Einschränkung durchlebte sie ihre Schulzeit, heiratete und bekam 2 gesunde Kinder, die sie bisher nie richtig sehen konnte. Die Einschränkung blieb.


Doch dann hört sie eines Tages von Bekannten von einem Missions-Krankenhaus für die Armen in Curahuasi, in dem Ärzte aus dem Ausland eine gute Versorgung anbieten und kommt ohne Termin in der Hoffnung auf eine Hilfe. Die Hoffnung auf Heilung ist dabei größer als die Angst, sich auf der langen Anreise zum Krankenhaus mit dem Coronavirus zu infizieren oder ein zweites operatives Debakel mit dem noch verbliebenen Auge zu erleben.


Als sie vor Werner sitzt und über das Geschehene und ihr Leid berichtet, wirkt sie ruhig und gefasst und trägt ihr Schicksal mit einem für die hiesige Kultur typischen großen Gleichmut. Werner ermutigt sie und erklärt ihr die Möglichkeit einer Heilung durch eine Routine-Operation. Als sie hört, dass wir ihr gerne helfen werden, kommen ihr die Tränen. Es sind Tränen der Erleichterung und der Hoffnung nach 21 Jahren Blindheit.
Auch wenn es für Werner eine Routineoperation ist, kann eine Komplikation bei der Operation zur dauerhaften Blindheit führen. Vor dem ersten Schnitt betet daher das Team zu Gott um seinen Beistand. Die Operation verläuft gut und wie geplant.


Am Tag nach der OP bereits erreicht die Patientin 2/3 der möglichen Sehkraft. Wie bei der Voruntersuchung ist sie bei der Abnahme des Verbandes gefasst, aber die Erleichterung und die Freude über den raschen Operationserfolg und die sofortige Widerherstellung der Sehkraft ist groß.
Nicht nur Werner kann sie an diesem Tag zum ersten Mal richtig erkennen, sondern später auch ihren Mann und viele unbekannte Einzelheiten in den Gesichtern ihrer Kinder, wie sie uns freudig bei den Kontrolluntersuchungen berichtet. Den Moment der Wiederherstellung wird sie so schnell nicht vergessen.